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Willkommen zum 3. und auch letzten Teil meiner kleinen Geschichtsstunde zur Ausbildung.
Ich mache da weiter, wo ich aufgehört habe: nämlich in den 50er Jahren, mit einem interessanten Ost-West-Vergleich.
Im Betriebskollektivvertrag von 1955 wurde festgelegt, dass sich Lehrlinge, Lehrausbilder und die FDJ-Leitung (=Freie Deutsche Jugend, Jugendorganisation der DDR) vierteljährlich treffen, um den Stand der Berufsausbildung zu beraten und Maßnahmen zur Verbesserung der Berufsausbildung zu beschließen. So was gibt’s heute nicht mehr – warum eigentlich nicht?
Über Ausbildungsdetails aus dem West-Teil habe ich leider wenig gefunden. Ich kann erst wieder mit Fakten aus den Siebzigern dienen. So wurde dokumentiert, dass dort 1975 beschlossen wurde, die Zahl der Auszubildenden in den folgenden Jahren auf 30 zu erhöhen. So lässt sich nachweisen, dass Ende der 70er Jahre die Zahl der Auszubildenden auf 26 Lehrlinge gesteigert wurde. 1978 waren das Industriekaufleute und Bürogehilfen. Sechs der ausgelernten Azubis wurden sogar fest übernommen, womit man sich an das Konzept zur Ausbildung für den eigenen Bedarf hielt. Ein Jahr später stellten die Berliner Wasserwerke (West) bereits 32 Lehrlinge ein.
Im Ostteil der Stadt hingegen wurde im selben Jahr in ganz anderen Dimensionen ausgebildet. Dort stellte man 109 Auszubildende in neun verschiedenen Ausbildungsberufen ein. Darunter Maschinenschlosser, Industriekaufleute, Facharbeiterinnen für Schreibtechnik (hier wird eine Beschränkung „Eignung nur für Mädchen“ angeführt) und Bürogehilfen.
In den 80er Jahren wird im „Betriebsforum“, der Mitarbeiterzeitschrift im Ostteil der Betriebe, von den Einstiegsveranstaltungen für die Neuzugänge berichtet. So fand eine Nachtfahrt in das 120 Kilometer entfernte Jamlitz statt, wo unter anderem Erste-Hilfe-Kurse absolviert und 20-Kilometer-Sonderprüfungen durchgeführt wurden. Auch heute noch fahren die „Neuankömmlinge“ zum Einführungsseminar, allerdings nicht mehr nach Jamlitz, sondern nach Blossin. Den 20 Kilometer Marsch muss zum Glück heute niemand mehr machen. Damals gingen übrigens alle Azubis unter 18 Jahren einmal im Jahr zur Betriebsärztlichen Untersuchung, daran hat sich auch bis heute nichts geändert.
Weitere Dokumente zeigen, dass 1981 die Grundurlaubszeit im Ost-Teil nur ganze 18 Arbeitstage betrug. Azubis erhielten sogar einen erhöhten Grundurlaub von 24 Arbeitstagen. Heute haben wir Azubis satte 30 Tage Urlaub im Jahr – definitiv eine positive Entwicklung! ☺
1983 wurde im Betriebsforum von der Einführungsveranstaltung für die neuen Lehrlinge berichtet. In Gegensatz zu heute waren damals übrigens noch die Eltern miteingeladen um daran teilzunehmen. Die Veranstaltung fand in der Klubgaststätte „Am Wasserwerk“ statt und war inhaltlich ähnlich aufgebaut, wie sie es auch heute noch ist. Übrigens: Die Klubgaststätte war noch bis Anfang 1992 geöffnet und wurde 1995/96 leider abgerissen.
Anfang der 90er Jahre fusionierten die beiden Betriebe zu den jetzigen Berliner Wasserbetrieben. Auch kurz nach der Wende blieben die Azubi-Zahlen im Vergleich zu den alten Zahlen des Westteils recht hoch. 1991 wurden insgesamt rund 231 Azubis im Betrieb gezählt.
Soweit zu den Ergebnissen meiner Recherche. Wer hätte gedacht, dass ich am Ende über ein Jahr an dieser Arbeit sitze. Einige Male war ich der Verzweiflung deutlich nahe, zum Glück aber war Aufgeben keine von meinem Ausbilder akzeptierte Option. Danke auf jeden Fall an dieser Stelle an alle, die mir geholfen und mich so tatkräftig unterstützt haben.
Die ersten beiden Teile verpasst? Hier sind sie: Teil 1 und Teil 2.